Rede der Niedersächsischen Kultusministerin Julia Willie Hamburg zu TOP 37 der Landtagssitzung am 13.12.2023
Aktuelle Stunde der CDU-Fraktion: Das PISA-Desaster ernst nehmen - unsere Kinder vor rot-grünen Bildungsexperimenten schützen
Es gilt das gesprochene Wort!
Anrede,
ja, die Ergebnisse von PISA 2022 sind besorgniserregend und müssen gründlich analysiert werden – und deswegen begrüße ich es sehr, dass wir dazu hier heute zu einem Austausch kommen. Allerdings sollten wir das im Sinne einer ernsthaften Befassung machen – ohne Polemik.
Der Vergleich zu PISA 2000 und dem sogenannten PISA-Schock ist in den letzten Tagen häufig bemüht worden. Zugegeben: Nach einer Verbesserung der Ergebnisse in den 00er-Jahren sind die Werte nun wieder gefallen. Sie bleiben allerdings im OECD-Durchschnitt. Nein, das ist nicht zufriedenstellend – unterscheidet den heutigen Datenbefund aber doch von dem im Jahr 2000, denn da lag Deutschland noch deutlich unter diesem Durchschnittswert.
Der entscheidende Unterschied ist aber etwas anderes: Wir sollten uns klar machen, dass die Herausforderungen, denen sich Schule in den letzten Jahren stellen musste, die Bedingungen gravierend verändert haben. Die Vielfachkrisen, denen wir alle, die gesamte Gesellschaft ausgesetzt sind, spiegeln sich im Schulalltag im besonderen Maße wider und haben große Auswirkungen auf diesen. Gesellschaftliche Veränderungen und auch der Fachkräftemangel treffen auch Schule. Und die Bewältigung einer Pandemie mit all ihren Folgen verändert Schule, von Fragen der Bildungsteilhabe bis zur Beschleunigung von digitalen Transformationsprozessen.
Anrede,
was aber ist nun die Antwort auf PISA 2022? Eines ist dabei sicher: Ausschließlich mit dem Werkzeugkoffer aus dem Jahr 2000 werden wir die Probleme von heute nicht lösen können.
Umso mehr verwundert das Ansinnen der CDU in dieser aktuellen Stunde und die damit verbundenen Unterstellungen. Selbstverständlich hat das Kultusministerium in der jüngsten Vergangenheit eine Reihe von Maßnahmen unter anderem im Bereich der Vermittlung von MINT-Kenntnissen ergriffen – das wissen Sie auch –, von Fortbildungsangeboten für Mathematik-Lehrkräfte – wie PIKAS und QuaMath – über den Einsatz von Mathematik-Mentorinnen und -Mentoren an Grundschulen bis zu Diagnose-Tools und Lern-Programmen.
Darüber hinaus planen wir die schrittweise Erhöhung der Stundentafel in der Grundschule in Niedersachsen von derzeit 94 auf dann 97 Unterrichtsstunden. Dies dient vor allem auch der Stärkung der Basiskompetenzen der Schülerinnen und Schüler von Beginn ihrer Schulkarriere an. Es war für mich auch selbstverständlich, das Programm „Lesen macht stark“ zu verlängern, um bei Defiziten in diesen Grundfertigkeiten gezielt gegenzusteuern.
Last but not least ist die Fachkräftesicherung ein wesentlicher Bestandteil für gute Bildung. Wir haben sowohl kurzfristige Maßnahmen umgesetzt als auch grundsätzliche Veränderungen auf den Weg gebracht, um die Unterrichtsversorgung sicherzustellen und nachhaltig zu verbessern. Der damit verbundene Weg der 1.000 Schritte ist lang und herausfordernd. Aber wir gehen ihn an, Schritt für Schritt.
Anrede,
dies ist aber nur eine Säule. Denn PISA 2022 zeigt einmal mehr, wie wichtig und entscheidend es ist, Schülerinnen und Schüler individuell zu fördern. Dafür brauchen Schulen und Lehrkräfte Zeit und gute Gelingensbedingungen. Schulen müssen in die Lage versetzt werden, sich noch spezifischer entsprechend der Bedarfe ihrer Schülerinnen und Schüler aufzustellen und Schule „neu denken“ zu können. Dafür brauchen Sie Freiräume, die wir ihnen geben wollen. Das ist genau das Gegenteil eines ideologischen Projekts: Es geht hier um einen Kulturwandel in den Schulen im Sinne von Ermöglichen statt Verordnen. Sie, sehr geehrte Abgeordnete der CDU-Fraktion, inszenieren Ideologiedebatten. Wir gestalten Lösungen und eröffnen neue Wege.
Anrede,
genau das, der Blick auf die Situation von und in Schule sowie die passgenaue Gestaltung der Rahmenbedingungen, ist es, was Schulen wollen und brauchen. Dazu gehört auch, die Kerncurricula zu entschlacken und nicht zuletzt stärker auf die KMK-Bildungsstandards zuzuspitzen, damit Schulen und Lehrkräfte die schuleigenen Stoffverteilungspläne noch spezifischer auf ihre eigenen Schülerinnen und Schüler ausrichten können. Das geschieht aktuell für die Kerncurricula in Deutsch und Mathematik und wird noch in diesem Jahr auch im Fach Englisch beginnen.
Dazu gehört, den Schulen Ressourcen noch konsequenter ihren Herausforderungen entsprechend zuzuweisen. Deshalb bereiten wir derzeit vor, zusätzliches Unterstützungspersonal auf sozialdatenbasierter Grundlage, einem Sozialindex, zuweisen zu können. Hiermit leisten wir nicht zuletzt auch einen Beitrag zu mehr Bildungsgerechtigkeit, indem wir gezielt die Schulen mit besonderen Herausforderungen und Bedarfen noch stärker in den Blick nehmen.
Es geht um eine von den Schulen eingeforderte und der Bildungswissenschaft empfohlene Weiterentwicklung unserer Schulen.
Anrede,
schräge Debatten passen vielleicht zum schiefen Turm von PISA. Aber Niedersachsen braucht jetzt etwas anderes, nämlich eine kluge Bildungspolitik. Und diese gestalten wir.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Julia Willie Hamburg
Artikel-Informationen
erstellt am:
13.12.2023
Ansprechpartner/in:
Britta Lüers
Nds. Kultusministerium
Pressesprecherin
Hans-Böckler Allee 5
30173 Hannover
Tel: 0511 120 7148