Land will „Werte und Normen“ an Grundschulen erproben – Einjährige Erprobungsphase startet zum Schuljahr 2017/2018
Zum kommenden Schuljahr 2017/2018 wird an bislang zehn niedersächsischen Grundschulen der Unterricht „Werte und Normen“ erprobt. Die Erprobungsphase wird an Grundschulen von Lehrkräften durchgeführt, die bereits über die Lehrbefähigung für das Fach Werte und Normen an weiterführenden Schulen verfügen und bereits an Grundschulen in anderen Fächern unterrichten, wie Niedersachsens Kultusministerin Frauke Heiligenstadt erklärt.
„Wir vernehmen vermehrt den Wunsch von Eltern nach einem Alternativfach für Grundschülerinnen und Grundschüler, die nicht an einem bekenntnisorientierten konfessionellen Religionsunterricht teilnehmen möchten“, so die Kultusministerin. Eine solche Alternative gebe es erst ab dem Sekundarbereich I in Niedersachsen.
Heiligenstadt: „Ich halte es für nachvollziehbar und angesichts der steigenden Heterogenität unserer Gesellschaft auch nicht für überraschend, dass auch Eltern von Grundschulkindern eine Wahlmöglichkeit wünschen. Tatsache ist allerdings, dass man ein solches Fach nicht einfach einführen kann, sondern erst einige wesentliche Grundlagen schaffen muss. Dies ist notwendig, da es bislang in Niedersachsen keine Ausbildung für Grundschullehrkräfte im Fach Werte und Normen gibt. Daher ist eine Erprobungsphase ein gangbarer Weg.“
Der Unterricht „Werte und Normen“ sei ausdrücklich als Alternative zum Religionsunterricht anzusehen und nicht etwa als Ersatz, betont die Ministerin: „Dem Religionsunterricht kommt eine besondere Rolle zu und zu dieser bekennt sich die Landesregierung ausdrücklich. Der Religionsunterricht ist als einziger Unterricht grundgesetzlich verankert und hat auch im Niedersächsischen Schulgesetz einen besonderen Stellenwert.“
Die Erprobungsphase wird von einer Fortbildungsmaßnahme für die Lehrkräfte durch das
Niedersächsische Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung (NLQ) begleitet. Als Grundlage für die Fortbildung der Lehrkräfte und den Unterricht in der Erprobungsphase wird den Lehrkräften ein Rahmenplan für den Werte-und-Normen-Unterricht an die Hand gegeben. Dieser ist für diesen Zweck eigens erstellt worden und könnte in der Weiterentwicklung auch als Grundlage für das Kerncurriculum dienen. Parallel zur Erprobungsphase werden Vorbereitungen auf eine mögliche Ausweitung von Werte und Normen als ordentliches Fach an der Grundschule bei engmaschiger Begleitung und Evaluierung durch das NLQ durchgeführt.
„Die Anzahl der Schulen ist eine gute Basis für eine aussagekräftige Evaluierung der Erprobungsphase. Bei dem Modellversuch Islamischer Religionsunterricht ist in der Vergangenheit ähnlich verfahren worden. Bei den an Grundschulen tätigen Lehrkräften mit grundständiger Ausbildung und einer didaktischen Fortbildungsmaßnahme ist eine gute Unterrichtsqualität gewährleistet, so dass die Erprobungsphase insgesamt gut aufgestellt ist“, erläutert Heiligenstadt. Sie sei überzeugt, dass diese Erprobung wichtige Erkenntnisse liefern werde, um das Thema in der Folge weiter erfolgreich bearbeiten zu können.
Sollte nach der Evaluierung der Erprobungsphase die flächendeckende Einführung von Werte und Normen als ordentliches Unterrichtsfach auch an Grundschulen weiter verfolgt werden, stünden weitere komplexe Schritte an. Dies wären insbesondere die Einrichtung eines Studiengangs „Werte und Normen für die Grundschule“, die Einrichtung von Fachseminaren „Werte und Normen“ an den Studienseminaren für Grundschulen, die Erstellung eines Kerncurriculums und die Änderung des Niedersächsischen Schulgesetzes.
Hintergrundinformationen:
- Mit Inkrafttreten des Niedersächsischen Schulgesetzes vom 30.05.1974 wurde ab dem 5. Schuljahrgang ein Pflichtunterricht für diejenigen Schülerinnen und Schüler geschaffen, die weder den Religionsunterricht noch den religionskundlichen Unterricht - damals noch angeboten - besuchten. Mit der Schulgesetznovelle 1993 erhielt dieses Unterrichtsfach den Status eines ordentlichen Lehrfaches mit dem Namen „Werte und Normen“.
- Ein Fach Ethik für Grundschülerinnen und Grundschüler, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, gibt es bislang in den Bundesländern Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.
- Wer einer Religionsgemeinschaft angehört, ist grundsätzlich verpflichtet, am Religionsunterricht seiner Religionsgemeinschaft teilzunehmen. Die Verpflichtung zur Teilnahme entfällt bei schriftlicher Abmeldung (§ 124 Abs. 2 Satz 3 NSchG). Daneben kann an einem Religionsunterricht teilnehmen, wer keiner Religionsgemeinschaft angehört oder sich vom Religionsunterricht seiner Religionsgemeinschaft abgemeldet hat; Voraussetzung ist die Zustimmung der Mehrheit der an der Schule tätigen Religionslehrkräfte der aufnehmenden Religionsgemeinschaft nach Beratung in der zuständigen Fachkonferenz.
- Schülerinnen und Schüler, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, sind stattdessen im Sekundarbereich I zur Teilnahme am Unterricht Werte und Normen verpflichtet. In der gymnasialen Oberstufe, im Beruflichen Gymnasium und im Kolleg kann die Verpflichtung zur Teilnahme am Unterricht „Werte und Normen“ auch durch die Teilnahme am Unterricht im Fach Philosophie erfüllt werden.
- Religionsunterricht – aber auch Werte und Normen ab Schuljahrgang 5 – sind einzurichten, wenn mindestens 12 Schülerinnen und Schüler einer Schule hierfür in Frage kommen.
- An öffentlichen Grundschulen nehmen im laufenden Schuljahr 2016/2017 rund 91 Prozent der Schülerinnen und Schüler an einem Religionsunterricht teil (255.368 von 280.389 Schülerinnen und Schülern). An öffentlichen Schulen des Sekundarbereichs I nehmen im laufenden Schuljahr 2016/2017 rund 28 Prozent der Schülerinnen und Schüler am Unterricht im Fach Werte und Normen teil (129.728 von 452.784 Schülerinnen und Schülern):
Tabelle siehe Infospalte rechts
Artikel-Informationen
erstellt am:
30.05.2017
Ansprechpartner/in:
Sebastian Schumacher
Nds. Kultusministerium
Pressesprecher
Hans-Böckler-Allee 5
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