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Rede der Niedersächsischen Kultusministerin Julia Willie Hamburg am 29.08.2024 im Niedersächsischen Landtag zu TOP 16 a: Lässt die Landesregierung die Schulen im Stich - über 2.400 pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor dem Aus?

Dringliche Anfrage der CDU-Fraktion, LT-Drs. 19/5116



Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede,

ich bedanke mich sehr herzlich, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion, dass Sie mir die Gelegenheit geben, heute klarzustellen, dass die Landesregierung auch zukünftig ein verlässlicher Partner für unsere Schulen ist. In den vergangenen Jahren ist ein massiver Aufwuchs im Bereich des nichtlehrenden Personals und damit auch bei den pädagogischen Mitarbeitenden erfolgt. Diesen Weg setzen wir konsequent weiter fort, mit klarem Kompass und gezielter Steuerung!

Heute verzeichnen wir an unseren Schulen rd. 17.000 Beschäftigte mit einem Umfang von rd. 6.200 VZE aus dem Bereich Schulsozialarbeit und der pädagogischen und therapeutischen Fachkräfte – eine erhebliche Steigerung gegenüber dem Jahr 2019 mit rd. 11.300 Beschäftigten mit einem Umfang von rd. 3.600 VZE.

Ohne jede Frage gibt es weiterhin große Bedarfe für Unterstützung an Schulen durch nichtlehrendes Personal. Daher haben wir uns viel vorgenommen, um die Schulen bei den aktuellen und vielfältigen Herausforderungen auch vor dem Hintergrund des bekannten Fachkräftemangels zu unterstützen. Dafür haben wir den Dialogprozess mit den Verbänden auf den Weg gebracht und gehen nun gemeinsam den Weg der 1.000 Schritte, um die Rahmenbedingungen für die Schulen sukzessive zu verbessern.

Dies vorangestellt möchte ich nun auf die rund 2.400 Beschäftigten eingehen, die Sie mit dieser Dringlichen Anfrage thematisieren.

In den letzten Jahren und auch aktuell hatten und haben Schulleitungen, Lehrkräfte und pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter infolge der Corona-Pandemie und des Angriffs Russlands auf die Ukraine vielfältige Aufgaben zu bewältigen. Dazu hat der Bund gemeinsam mit den Ländern das Programm „Startklar in die Zukunft“ aufgelegt. Aus den Bundesmitteln hatte jede Schule unter anderem die Möglichkeit, mindestens einen pädagogisch Mitarbeitenden mit einer geringfügigen Beschäftigung einzustellen. Aufgrund der damaligen Umstände erfolgte das Verfahren jedoch nicht Kriterien gesteuert, da davon ausgegangen wurde, dass jede Schule vor dem Hintergrund der Auswirkungen der Pandemie einen zusätzlichen personellen Unterstützungsbedarf hatte. Der Beginn des Ukrainekrieges im Frühjahr 2022 stellte zusätzlich zur Pandemie eine weitere enorme Belastung an den Schulen dar. Deshalb hat das Land aus dem eigenen Haushalt, erwirtschaftet über HH-Reste, den Schulen weitere Mittel für die befristete Beschäftigung von pädagogisch Mitarbeitenden zur Verfügung gestellt. Dieses Personal hat wesentlich dazu beigetragen, dass die Kinder und Jugendlichen in den Schulen gut ankommen und integriert werden konnten. Wie Sie wissen, endete das Programm „Startklar in die Zukunft“ bereits zum 31.07.2023. Dennoch hat das Land in einem erheblichen Kraftakt dafür gesorgt, dass die Schulen diese Arbeitsverträge befristet bis zum 31.12.2024 mit Mitteln des Landes verlängern konnten und die Schulen darüber hinaus bis Ende dieses Jahres das aus den Mitteln zur Bewältigung der Folgen von Flucht und Migration eingestellte Personal weiterbeschäftigen können. Es war von Anfang an deutlich kommuniziert worden, dass das Personal ausschließlich befristet zur Bewältigung dieser Herausforderungen beschäftigt werden kann.

Zudem lassen Sie mich an dieser Stelle deutlich klarstellen, dass es sich bei den rund 2.400 Personen, die im Kontext von Startklar und der Integration von Geflüchteten kurzfristig geschaffen wurden, mitnichten um volle Beschäftigungsvolumina handelt. Vielmehr geht es hier um 2.400 Personen, die überwiegend auf Minijob-Basis beschäftigt waren und sind. Das entspricht insgesamt einem Volumen von 602 vollen Stellen. Und auch wenn die Arbeitsverträge dieser Beschäftigten nun am Ende dieses Jahres enden, bedeutet dies nicht, dass das Personal unseren Schulen automatisch verloren gehen wird: So werden Personen weiterhin an einigen Schulen beschäftigt sein, die ihren Beschäftigungsumfang durch Startklar aufgestockt haben. Auch werden Personen an Startchancen-Schulen (SCP) weiterbeschäftigt. Der Bedarf an Unterstützungspersonal ist weiterhin hoch. Darüber hinaus haben Schulen grundsätzlich die Möglichkeit, das entsprechende Personal aus dem ihnen jeweils zur Verfügung stehenden Schulbudget weiter zu beschäftigen oder neu einzustellen. Ein Einsatz von pädagogisch Mitarbeitenden ist dabei an Grundschulen zur Sicherstellung der Verlässlichkeit aus dem VGS-Budget sowie an Ganztagsschulen aus den budgetierten Lehrkräfte-Soll-Stunden – übrigens im Umfang von bis zu 100 % des Ganztagszusatzbedarfs – möglich.

Außerdem erhalten die Schulen mit dem Aufwuchs von Ganztagsschulen zunehmend mehr Ressourcen zur Beschäftigung von Personal sowie Kooperation mit Trägern. Hier werden sich die Ausgaben von derzeit 134 Millionen Euro jährlich auf voraussichtlich bis zu 258 Millionen Euro jährlich steigern.

Die Haushaltslage des Landes ist ohne Frage von zahlreichen Herausforderungen geprägt. Trotz dieser angespannten Haushaltslage ist es meinem Haus gelungen, im Rahmen des Haushaltsaufstellungverfahrens 2025 für das Schulbudget zusätzlich 17,5 Mio. Euro für Personal sowie weitere 2,5 Mio. Euro für die sächlichen Verwaltungsausgaben auf den Weg zu bringen. Vorbehaltlich der Zustimmung des Haushaltsgesetzgebers erhöht sich damit das Budget für die Schulen ab dem Jahr 2025 um mindestens 20 Mio. Euro. Bereits für das Haushaltsjahr 2024 konnten wir einen Aufwuchs um 13,65 Mio. Euro erreichen.

Im Vergleich zu den Vorjahren kommt es im nächsten Jahr daher nominell also zu einer wesentlichen Stärkung des Schulbudgets und somit auch dazu, dass wir dem derzeitigen Mangel entgegenwirken.

So haben wir seit Beginn der Legislaturperiode diesen Weg konsequent fortgesetzt und verschiedene Maßnahmen zur Stärkung und Sicherung der multiprofessionellen Teams an allgemein bildenden und Berufsbildenden Schulen vorangetrieben. Diese waren auch mehrfach hier Thema: So der Aufwuchs der Schulsozialarbeit, der pädagogischen Mitarbeitenden im Bereich der sonderpädagogischen Förderung und der Schulpsychologie.


VZE/Stellen/
Personen

Euro

Startklar

-602 VZE

-2420 Personen

-30,7 Mio.

Startchancen Säule III

27,5 Mio.

Schulbudget Personal

min. 17,5 Mio.

Schulbudget sächliche Kosten

2,5 Mio.

Aufwuchs Ganztag (heute 134 Mio.; perspektivisch 258 Mio.)

124 Mio.

Zusätzliche LK (auch LK im Ganztag)

2460 Stellen

125 Mio.

Nichtlehrendes Personal (seit 2024) – kein neuer Posten

Verstetigung aus Startklar für Schulsozialarbeitende an Allgemeinbildenden Schulen,

Schulpsychologie

60 VZE

36 VZE

10 Mio.

Davon

4 Mio.

2,9 Mio.

pädagogische Mitarbeitende zur sonderpädagogischen Förderung (seit 2023)

100 Stellen

6 Mio.

Schulsozialarbeit an den Berufsbildenden Schulen (Teil von BBS Permanent) (seit 2024) – kein neuer Posten

100 Stellen

6 Mio.

(aus Resten im HH)

Erhöhung der Stundentafel im Primarbereich

3 Wochenstunden


Mir ist bewusst, dass in den kommenden Jahren weiterhin ein erhöhter Bedarf an nichtlehrendem Personal bestehen wird, so dass wir einen weiteren Aufwuchs der Beschäftigtenzahlen leisten müssen.

Diese zusätzlichen Mittel für das nichtlehrende Personal – und das ist besonders wichtig zu betonen – sollen zukünftig eben nicht nach dem Gießkannenprinzip vergeben, sondern zielgerichtet dort eingesetzt werden, wo sie am dringendsten gebraucht werden. Die Ermittlung der Bedarfe soll sozialdatenbasierter und anhand der Bedarfe – wie etwa der Ganztagsbetreuung – erfolgen. Als Instrument dafür haben wir in Niedersachsen den sozialdatenbasierten Index eingeführt, der erstmals zur Ermittlung der Schulen für das Startchancenprogramm eingesetzt wurde. Durch das Startchancenprogramm werden über die Säule III zudem zusätzliche Mittel für Personal im Umfang von bis zu 27,5 Mio. Euro ermöglicht.


Anrede,

wir nehmen aber nicht nur das nichtlehrende Personal in den Blick, sondern auch die Lehrkräfte. Durch erfolgreiche Einstellungsverfahren können in Niedersachsen seit Jahren mehr Lehrkräfte eingestellt werden, als aus dem Schuldienst ausscheiden, und wir verzeichnen auch aktuell wieder einen Höchststand an Lehrerinnen und Lehrern im Land. Deshalb ist erstmalig seit langem das BV für Lehrkräfte an allgemein bildenden Schulen ausgelastet. Wir werden dafür also 2460 neue Stellen schaffen.

Und nicht nur das: Infolge der sukzessiven Erhöhung der Pflichtstunden in den Grundschulen im 1. und 2. Schuljahrgang beginnend ab dem Schuljahr 2024/25 wird sich in den kommenden Jahren der Bedarf an pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Randstundenbetreuung reduzieren, so dass die dadurch an den einzelnen Schulen freiwerdenden PM-Stunden beispielsweise für die Sicherstellung der Verlässlichkeit (z. B. Einsatz im Rahmen des Vertretungskonzeptes) oder für den unterrichtsbegleitenden Einsatz genutzt werden können. Aufgrund der Anpassungen in der Stundentafel erhalten die Grundschulen mit Blick auf die Sicherstellung der Verlässlichkeit somit Handlungsspielräume hinsichtlich des Einsatzes von pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Dies vorausgeschickt beantworte ich die Fragen im Namen der Landesregierung wie folgt:


Zu Frage 1: Weshalb sind die nun auslaufenden 2.400 Stellen der pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht frühzeitig verlängert worden?


Anrede,

Ich habe in meiner Vorbemerkung deutlich gemacht, welche enormen Anstrengungen die Landesregierung unternimmt, um die unbestritten hohen Bedarfe an unseren Schulen im Bereich des nichtlehrenden Personals zu bedienen. Die von Ihnen genannten Beschäftigungsverhältnisse waren eine Ad-hoc-Maßnahme, um schnell auf Krisensituationen zu reagieren. Mit den auf den Weg gebrachten Maßnahmen erarbeiten wir nun eine nachhaltig tragfähige und dauerhaft finanzierte Struktur für mehr Bildungsgerechtigkeit und Qualität in den Schulen!

Wir gehen damit den Weg des nachhaltigen Personalaufwuchses konsequent weiter und steuern hierbei nach Sozialindikatoren und Bedarf, wie etwa dem Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung, um gute Schule zu verwirklichen. Hierzu gehört auch, die unterschiedlich hohen Bedarfe zu erkennen und vor dem Hintergrund des massiven Fachkräftebedarfs unsere Ressourcen bedarfsorientiert einzusetzen und landesweit zu steuern.


Zu Frage 2: Inwieweit macht sich die Landesregierung die vom Kultusministerium genannte Begründung für den Wegfall der Stellen, es handele sich um Minijobs und die Kräfte hätten zum Großteil aber keine pädagogische Qualifikation, zu eigen (Antwort bitte mit Begründung)?


Anrede,

Ich möchte zunächst einmal klarstellen: Meine Mitarbeiter haben in den fraglichen Unterrichtungen nicht gesagt, dass der Wegfall der Beschäftigungsverhältnisse aus den Sondermaßnahmen damit begründet sei, dass es sich um Minijobs und um Kräfte größtenteils ohne pädagogische Qualifikation handelt. Vielmehr haben meine Mitarbeiter lediglich auf Ihre Frage nach der Anzahl der auslaufenden Beschäftigungsverhältnisse informiert und damit diesen Sachverhalt eingeordnet – nicht die Beendigung des Programms begründet.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch darauf hinweisen, dass Ihr Zitat aus dem Vorabauszug des 34. Kultusausschusses aus dem Zusammenhang gerissen ist. Mein Mitarbeiter [Herr Milde] hat dort dargestellt – und ich zitiere aus dem Protokoll – dass „es dabei um qualifizierte Menschen [geht], die wir gerne in Schule halten wollen und für die wir eine Perspektive schaffen wollen.“ Er hat dann ausgeführt, dass wir dafür gemeinsam mit den RLSB beraten, um sie beispielsweise mit dem Startchancenprogramm in andere Beschäftigungsverhältnisse zu überführen, wo das möglich ist.

Der von Ihnen zitierte Satz, es gebe eine Lücke wegen nicht vorhandener Mittel, ist im Kontext mit der längerfristigen Perspektive des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung ab 2026 gefallen (für den wir zu gegebener Zeit Personal und Mittel benötigen werden) und war keineswegs auf die Beschäftigung von Unterstützungspersonal insgesamt bezogen.

Und ausweislich des Protokolls haben Sie das damals auch nicht missverstanden. Denn in Ihrer darauffolgenden Nachfrage machen Sie deutlich, dass Sie das Bemühen des MK nichtlehrendes Personal aus den auslaufenden Beschäftigungsverhältnissen zu halten, verstanden haben und teilen. Ich zitiere Sie: „Wenn wir darüber sprechen, dass bestimmte Stellen für nichtlehrendes Personal Ende des Jahres auslaufen, diese aber im Startchancen-Programm weitergeführt werden sollen, stellt sich die Frage, ob ein Anschluss zum 1. Januar 2025 möglich ist oder ob eine Wartezeit entsteht. Damit verbunden stellt sich die Frage, wie wir die Leute dann halten wollen.“

Denn nicht der hohe Anteil von Beschäftigten ohne pädagogische Qualifikation ist Grund für den Wegfall dieser Beschäftigungsverhältnisse, sondern die bereits dargestellte Befristung der Sonderprogramme mit den entsprechenden Sonderaufgaben.

Gleichwohl erfolgt nach den Akutphasen der Pandemie und der Flüchtlingswelle aus der Ukrainekrise nun der Paradigmenwechsel hin zu einer bedarfsgerechten Steuerung, wie es auch am Beispiel des SCP deutlich wird. Mit Blick auf eine qualitätsvolle Schulentwicklung sind zur Erreichung der Ziele bestimmte Qualifikationen gefordert.

Und die Bedarfe sind auf allen Ebenen der unterstützenden Kräfte weiterhin enorm – angefangen von der Hausaufgabenunterstützung, über die ergänzenden Bedarfe im Ganztag hin zu Unterstützung in der Verwaltung und nicht zuletzt Lehrkräften. Daher müssen wir – und ich wiederhole mich – unsere Ressourcen zielgerichtet einsetzen und steuern.


Zu Frage 3: Wie sollen Lehrkräfte zukünftig gezielt entlastet werden, wenn ab dem 1. Januar 2025 über 2.400 pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Schulen fehlen werden?


Anrede,

Ich habe Ihnen hierzu heute erneut darstellen können, in welchen Bereichen diese Landesregierung den Ausbau multiprofessioneller Teams stärkt und damit nicht zuletzt auch Lehrkräfte entlastet. Dem Auslaufen der von Anfang an befristeten Stellen steht eine Vielzahl an Maßnahmen mit einem massiven Ausbau von Stellen auch im nichtlehrenden Bereich gegenüber. Dabei orientieren wir uns an dem Bedarf der Schulen und steuern die zur Verfügung stehenden Ressourcen anhand eines seit diesem Jahr etablierten Sozialindex sowie orientiert am Aufwuchs der Ganztagsschulen.


Portrait von Julia Willie Hamburg in schwarzer Bluse   Bildrechte: brauers.com

Artikel-Informationen

erstellt am:
29.08.2024

Ansprechpartner/in:
Britta Lüers

Nds. Kultusministerium
Pressesprecherin
Hans-Böckler Allee 5
30173 Hannover
Tel: 0511 120 7148

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