Artikel-Informationen
erstellt am:
25.01.2018
Abgeordneter Harm Rykena (AfD)
Antwort des Niedersächsischen Kultusministeriums namens der Landesregierung
Vorbemerkung des Abgeordneten
Kurz vor Weihnachten 2017 entschieden die zuständigen Gremien einer Lüneburger Schule aufgrund einer Beschwerde einer muslimischen Schülerin, keine Weihnachtslieder im Musikunterricht mehr zu singen[1]. Über diesen Sachverhalt wurde in verschieden Medien berichtet. Danach sollen die Entscheidungsgremien der Schule das Nichtsingen von Weihnachtsliedern im Musikunterricht mit § 3 Abs. 2 Satz 2 NSchG begründet haben. Dort heißt es: „In Erziehung und Unterricht ist die Freiheit zum Bekennen religiöser und weltanschaulicher Überzeugungen zu achten und auf die Empfindungen Andersdenkender Rücksicht zu nehmen.“
Dieser Argumentation folgend, würde das Singen und Einproben von Weihnachtsliedern im Musikunterricht für alle Schüler die religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen nichtchristlicher Schüler verletzen und/oder deren Empfindungen nicht berücksichtigen.
Gemäß § 2 Abs. 1 NSchG soll „die Persönlichkeit der Schülerinnen und Schüler auf der Grundlage des Christentums, des europäischen Humanismus und der Ideen der liberalen, demokratischen und sozialen Freiheitsbewegungen“ entwickelt werden.
Vorbemerkung der Landesregierung
In der Vorbemerkung des Abgeordneten heißt es, die „zuständigen Gremien“ hätten „aufgrund einer Beschwerde einer muslimischen Schülerin entschieden, keine Weihnachtslieder im Musikunterricht mehr zu singen.“ Dies entspricht nicht den Tatsachen. Zutreffend ist, dass eine muslimische Schülerin im Dezember 2016 den Unterricht verließ, als dort Weihnachtslieder gesungen wurden, und der Schulleiter auf diesen Vorfall reagierte, indem er die Empfehlung aussprach, „aus Rücksichtnahme auf andersgläubige Schülerinnen und Schüler in solchen Situationen auf religiöse Weihnachtslieder zu verzichten.“ Diese Empfehlung ist insbesondere auch in der Presseberichterstattung teilweise missverständlich als Verbot zum Singen von Weihnachtsliedern aufgefasst worden. Ein Verbot zum Singen von Weihnachtsliedern an unseren Schulen gibt es nicht!
1. Stellt nach Auffassung der Landesregierung das Singen von Weihnachtsliedern zur Weihnachtszeit in der Schule, insbesondere im Musikunterricht, eine Missachtung der Glaubensüberzeugungen nicht christlicher Schüler dar (bitte mit Begründung)?
Wie alle anderen Fächer leistet auch das Fach Musik über das Fachliche hinaus einen Beitrag zur grundlegenden Bildung, indem es die gestalterischen Kräfte der Schülerinnen und Schüler, ihre Wahrnehmungs- und Ausdrucksfähigkeit entwickelt und fördert. Dabei sollen die Schülerinnen und Schüler ihr eigenes kulturelles und historisches Erbe, aber auch das von anderen, verstehen lernen, um an einer heterogenen Gesellschaft teilhaben zu können. Durch das Verständnis eigener und anderer Kulturen werden die Grundlagen zu einer offenen Haltung gelegt, um kulturelle Unterschiede zu erfahren und sich mit ihnen auseinanderzusetzen.
Die Kerncurricula für den Unterricht im Fach Musik an niedersächsischen Schulen betonen die Vermittlung der musikalisch-kulturellen Traditionszusammenhänge unserer Gesellschaft durch die Beschäftigung mit geschichtlichen, biografischen und religiösen Hintergründen von Musik. Schülerinnen und Schüler „lernen Musik als ein gesellschaftliches und historisches Zeugnis kennen, das verschiedene Aufgaben erfüllt. Sie erkennen, dass Musik bestimmte Wirkungen hat, die für unterschiedliche Zwecke genutzt werden. Dabei richtet sich das Erkenntnisinteresse musizierend, hörend, beschreibend und untersuchend auf musikalische Objekte und Praxen verschiedener Zeiten.“
Die hier beschriebenen Bildungsziele lassen sich auch mit einer weltanschaulich zunehmend pluralen Schülerinnen- und Schülerschaft anhand einer vielfältigen Auswahl an traditionellen Weihnachtsliedern erarbeiten. Nicht alle thematisieren dabei explizit christliche Kontexte, sondern sie beziehen sich zum Teil auch auf Jahreszeit[2] oder europäisches Brauchtum[3].
In diesem Sinne entspricht auch das Singen von explizit christlichen Weihnachtsliedern im Unterricht nicht der Ausübung einer religiösen Handlung und unterfällt von daher nicht dem Grundrecht auf negative Religionsfreiheit. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besteht zudem grundsätzlich kein verfassungsrechtlicher Anspruch darauf, von der Wahrnehmung anderer religiöser oder weltanschaulicher Bekenntnisse verschont zu bleiben (vgl. BVerfG Beschluss vom 27.01.2015, Az. 1 BvR 471/10 und 1 BvR 1181/10). Eine Freihaltung des schulischen Alltags von jeglichen religiösen Bezügen gebietet auch die Regelung in § 3 Abs. 2 NSchG nicht. Weihnachtslieder hatten und haben ihren festen Platz in niedersächsischen Schulen.
2. Wie soll eine Schule ihrem Bildungsauftrag aus § 2 Abs. 1 NSchG nachkommen, wenn keine Weihnachtslieder als Vorbereitung für die Weihnachtszeit, insbesondere im Musikunterricht, gesungen werden, weil sich muslimische oder nicht christliche Schüler darüber beschweren?
Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen.
3. Welche Maßnahmen möchte das Kultusministerium ergreifen, damit Weihnachtslieder im Musikunterricht gesungen werden?
Vergleichbare Vorgänge an anderen Schulen sind nach Mitteilung der Niedersächsischen Landesschulbehörde nicht bekannt. Aus diesem Grund sieht das Kultusministerium über den in der Antwort zu Frage 1 genannten Rahmen keine Notwendigkeit, allgemeine Handlungsanweisungen oder Empfehlungen zu diesem Thema zu entwickeln.
[1] http://www.radiobremen.de/bremenzwei/aktuell/weihnachten-ohne-weihnachtslieder100.html (Quelle vom 19. Dezember 2017 Stand 10. Januar 2018)
[2] z.B. „Es ist für uns eine Zeit angekommen“ (P.Hermann), „Schneeflöckchen, Weißröckchen“ (volkstümlich)
[3] z.B. „Morgen, Kinder, wird’s was geben“ (Splittegarb / Hering), „O Tannenbaum“ (Anschütz)
Artikel-Informationen
erstellt am:
25.01.2018