Kultusministerin Hamburg präsentiert Startchancenschulen: 390 Schulen und rund 122.000 Schülerinnen und Schüler werden erreicht
Hamburg: „Im kommenden Schuljahr legen wir mit dem niedersächsischen Sozialindex den Grundstein für mehr Bildungsgerechtigkeit in Niedersachsen.“
Kultusministerin Julia Willie Hamburg hat die Liste der 390 niedersächsischen Schulen im Startchancenprogramm des Bundes und der Länder vorgestellt. Die Auswahl der teilnehmenden Schulen erfolgte ausschließlich auf der Grundlage von schulscharfen Sozialdaten.
Bei der Auswahl der 390 Schulen kommt erstmals der für Niedersachsen entwickelte sozialdatenbasierte Index zum Einsatz. Künftig sollen mit dem Index zusätzliche Ressourcen an Schulen gesteuert werden, um diese gezielt dort einsetzen zu können, wo sie am dringendsten benötigt werden. Bei der Erstellung des Sozialindex war wichtig, dass er schulscharf funktioniert und für die Schulen keinen zusätzlichen Arbeitsaufwand verursacht. Herangezogen wurden ausschließlich Daten, die dem Kultusministerium bereits vorliegen.
Bund und Länder hatten sich Anfang Februar auf eine Verteilung der Mittel nach den Kriterien Armut und Migration verständigt und nehmen damit erstmals Abstand von einer reinen Gießkannenverteilung der Mittel. Nationale und internationale Studien belegen, dass zwischen diesen Faktoren sowie Bildungserfolg und Bildungsteilhabe ein direkter Zusammenhang besteht.
„Noch immer hängt der Bildungserfolg zu sehr vom Geldbeutel oder vom Status der Eltern ab. Mit dem Startchancenprogramm und vielen weiteren bereits ergriffenen Maßnahmen
wollen wir diesen Zusammenhang aufbrechen, den Bildungserfolg von der sozialen Herkunft entkoppeln und für mehr Chancengerechtigkeit sorgen“, sagte Kultusministerin Julia Willie Hamburg und fügte an: „Dazu werden die 390 Startchancenschulen, die einen hohen Anteil sozial benachteiligter Schülerinnen und Schülern haben, bis 2034 gezielt unterstützt. Es geht dabei aber nicht einfach nur um finanzielle Unterstützung, sondern auch um systemische Veränderungen und eine Stärkung der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens. Denn gute Bildung entsteht, wenn sich Schule an den Bedürfnissen der Schulgemeinschaft ausrichtet. Ich sehe das Startchancenprogramm deshalb für jede der 390 Schulen als eine große Chance, die Schulentwicklung voranzutreiben und viele offene Fragen, die an unseren Schulen bestehen, mit diesem Programm zu erproben, Lösungen zu entwickeln und neue Wege zu gehen. Ziel ist es, neue Erkenntnisse und Lösungen zu erzielen, wie wir die Abhängigkeit des Bildungserfolgs vom Elternhaus durchbrechen können. Viele Schulen blicken mit Zuversicht der Teilnahme am Programm entgegen. Wir erreichen somit heute die nächste Stufe. Die Schulen stehen jetzt fest, im kommenden Jahr können wir somit das Programm in den Schulen entwickeln und implementieren. Dieser Aufbau ist wichtig, um die zehn Jahre auch nachhaltig und wirksam zu nutzen.“
Beim niedersächsischen Sozialindex sind die Indikatoren
· für die Dimension Migration
- der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund,
- der Anteil an Schülerinnen und Schülern ohne deutsche Staatsangehörigkeit sowie
- der Anteil an Schülerinnen und Schülern, die an Sprachfördermaßnahmen teilnehmen.
· für die Dimension Armut der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die für eine Befreiung von der entgeltlichen Lernmittelausleihe berechtigt sind.
Darüber hinaus greift Niedersachsen auf drei weitere Parameter zurück:
· der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf, denn insbesondere die Förderbedarfe Lernen sowie Emotionale und Soziale Entwicklung stehen in Zusammenhang mit Bildungsbenachteiligung.
· Der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die die Schule zunächst ohne Abschluss verlassen (gilt nicht für Grundschulen). Denn es ist ein wesentliches Ziel auch des Startchancenprogramms, diese Quote zu senken.
· Nachgelagert wird auch die Unterrichtsversorgung in den Sozialindex mit einbezogen, für die Teilnahme am Startchancenprogramm spielt der Parameter jedoch keine Rolle.
Für die Auswahl der beteiligten Schulen wurden die Indikatoren hierbei unterschiedlich gewichtet: Die Dimension Migration ist mit 45 % angesetzt (15 % je Indikator), die Dimension Armut mit 35 %, die beiden weiteren Indikatoren sind mit jeweils 10 % gewichtet.
Die Dimensionen Armut und Migration finden auch im Bereich der berufsbildenden Schulen Berücksichtigung. Allerdings wurden hier – den Bundesvorgaben entsprechend - eigene Indikatoren entwickelt, da für die berufsbildenden Schulen keine Daten zur entgeltlichen Lernmittelausleihe vorliegen.
Schulen in freier Trägerschaft, für die die Teilnahme am Startchancenprogramm grundsätzlich ebenfalls möglich ist, konnten sich im Rahmen eines Interessenbekundungsverfahrens melden und ihre entsprechenden Sozialdaten vorlegen.
Im Ergebnis wurden in Niedersachsen nun 390 Schulen ermittelt: 250 Grundschulen, 130 weiterführende Schulen und 10 berufsbildende Schulen werden ab dem 1. August 2024 am Startchancenprogramm teilnehmen. Die Schulen sind über das gesamte Bundesland verteilt: Ein Drittel der Schulen liegt in den acht großen Städten in Niedersachsen, zwei Drittel liegen in den Mittelzentren, den kleineren Städten oder im ländlichen Raum. Der Fokus des Bund-Länder-Programms liegt mit 60 Prozent auf den Grundschulen, die restlichen 40 Prozent sind weiterführende und berufsbildende Schulen. Hintergrund dieser gezielten Aufteilung ist, dass gerade an Grundschulen die Grundlage für den Bildungserfolg insgesamt gelegt wird.
Das Startchancenprogramm wird zum 1. August dieses Jahres implementiert und läuft über zehn Jahre. „Das kommende Schuljahr steht dabei bewusst im Lichte des Aufbaus des Programms. Da es über einen langen Zeitraum wirken soll, ist ein guter und überlegter Einstieg – gemeinsam mit den Schulen und Schulträgern - entscheidend für den Erfolg“, so die Ministerin. „Entscheidend wird hierbei auch sein, die Bemühungen der Schulen mit den kommunalen Maßnahmen der Jugend- und Familienhilfe zusammenzudenken, weil viele Themen und Herausforderungen für junge Menschen erfahrungsgemäß deutlich über die Schule hinausgehen.“
Der Bund fördert das Programm mit einer Milliarde Euro pro Jahr und flankiert damit die finanziellen Anstrengungen der Länder. Niedersachsen wird mit jährlich rund 96 Millionen Euro an Bundesmitteln von dem Programm profitieren. Das Programm umfasst drei Säulen:
- Investitionsprogramm für eine zeitgemäße und förderliche Lernumgebung
- Chancenbudgets für bedarfsgerechte Lösungen zur Schul- und Unterrichtsentwicklung
- Personal zur Stärkung multiprofessioneller Teams
40 Prozent der Fördermittel sollen für eine bessere und damit lernförderlichere Infrastruktur und Ausstattung der Startchancenschulen eingesetzt werden. Hierfür wird derzeit eine Förderrichtlinie für die Schulträger abgestimmt. 30 Prozent der Mittel fließen als sogenannte Chancenbudgets in bedarfsgerechte Maßnahmen der Schul- und Unterrichtsentwicklung. Hier können die Schulen Lösungen umsetzen, die zu den konkreten Herausforderungen vor Ort passen. Die Möglichkeiten reichen von der Leseförderung mit außerschulischen Partnern über Zirkusprojekte bis hin zu Projekten zur Gewaltprävention und vieles mehr. Weitere 30 Prozent fließen in die Stärkung multiprofessioneller Teams (z. B. durch Schulsozialarbeitende und pädagogisch Mitarbeitende).
Bis zum Ende der Programmlaufzeit soll die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die derzeit die Mindeststandards in Mathematik und Deutsch verfehlen, an den Startchancen-schulen halbiert werden.
Zudem soll das Startchancenprogramm Erkenntnisse auch für andere Schulen zu der Frage Abbau von Bildungsbenachteiligungen liefern. Deshalb wird das Vorhaben auch nach dem Start als lernendes Programm wissenschaftlich begleitet und regelmäßig evaluiert. Durch eine bestmögliche Vernetzung der Startchancenschulen will Niedersachsen zudem den Austausch von Erkenntnissen und Erfahrungen fördern - damit gute Ideen möglichst viele Kinder und Jugendliche erreichen.
Artikel-Informationen
erstellt am:
03.06.2024
zuletzt aktualisiert am:
05.06.2024